Reiterei bei Rippach…

Nach einem Tag Müßiggang mit dem Querrad und noch immer einem leichten Kratzen im Hals, zog es mich heuer wieder in den Sattel. Diesmal interessierten mich die Spuren des Herzogs von Istrien, der nahe Rippach in den frühen Maitagen des Jahres 1813 sein Leben aushauchte. Die im Rahmen meines WE-Müßigganges vorgenommene Lektüre eines kleinen Völkerschlachtbüchleins gab mir den Tipp. Kurzentschlossen wurde der weiße Schimmel aus dem Stall geholt und im Nordwest gen Weißenfels getrieben. Über Kitzen, Starsiedel, Stößwitz, Klein- und Großgörschen, fokussiere ich 40 Kilometer später, nach einer leichten Rechtskurve in der Ortslage Rippach, ein Gasthaus. Ein Wunder, dass in der Anhaltinischen Wallachei, nach ungezählten Vorbeifahrten an insolventen Land- und Dorfgasthöfen, tatsächlich ein „Wir haben geöffnet“ auftaucht. Der freundliche Wirt des „Weißen Schwan“ kredenzt Bockwurst und Weizen für den unschlagbaren Gesamtpreis von 3,60 € ! Die zahlreich an der  Aussenfassade des „Weißen Schwan“ angebrachten Historienverweise verraten mir, dass ich im Zielgebiet bin. Von meinem Bockwurst-Weizen-Standort sind es noch 350m Wiesenweg bis zum Bessières-Gedenkstein. Meinen weißen Schimmel an der Hand führend, begebe ich mich auf den ansteigenden Weg. Rechts gurren Truthähne aus einem Gatter. Auf halbem Weg kommt mir ein schwankender Bürger entgegen, grüßt freundlich und klimpert mit leeren Bierflaschen in seinem Nylonfaltbeutel. Der Weg macht einen Knick und wenige Meter weiter entdecke ich unter einem üppig wuchernden Elsbeerstrauch, auf einer Bank sitzend, den zweiten Saufkumpan im Sitzschlaf. Zwischen den Lattenrosten der Bank liegt eine fast leere Flasche Goldbrand. Ich schleiche mich vorbei und stehe hundert Meter weiter am Ort des Grauens. Ein schlichter Gedenkstein erinnert an den Tod des Herzogs von Istrien und Marschalls von Frankreich. Hier also hat der Oberbefehlshaber der französischen „Mot-Schützen“ sein Ende gefunden. Ich rauche in seinem Andenken eine Filterzigarette und google später folgenden Text: Bei der Eröffnung des Feldzugs von 1813 war Bessières Oberbefehlshaber der gesamten französischen Reiterei. Als er im Mai bei Rippach zwischen Weißenfels und Lützen mit den Tirailleuren gegen Wintzingerodes Haufen vorrückte, zerschmetterte ihm eine Kanonenkugel die Brust. Am nächsten Tag starb er und wurde im Invalidendom beigesetzt. Das passierte am 1. Mai 1813 um 14.00 Uhr. 198 Jahre später lasse ich den Gedenkstein hinter mir, rolle hinunter zum Kreisstraßen-Asphalt und nehme wieder Fahrt auf. Wenig später, wie immer angefixt von seltsamen Ortsnamen, folge ich kurz hinter Rippach einem Wegweiser nach Poserna. Rechts neben der neugotischen Hallenkirche verleitet mich ein Wirtschaftsweg (erst Asphalt, kurz darauf ein Beton-Zweispur-Band) „über Land“ nach Nellschütz. Hier war ich noch nie. In Nellschütz zunächst klassisches (belgisches) anhalthinisches Pflaster. Allerdings nur in liebevoll gepflegten 20Meter Pavés. Dann auf Asphalt weiter nach Gerstewitz. Da ich mich bei Ortserkundungen, trotz Lenkertamagotchie,  grundsätzlich von Gefühl und Stimmung leiten lasse, bin ich sehr erstaunt kurz vor Granschütz zu stehen! Plötzlich ist alles wieder sehr vertraut und die Pneus erinnern sich an den Heimweg vom „Cross am Auensee“ im vergangenen Jahr. Anderthalbstunden  später ist, dank dem Rückenwind, die Genussrunde zu Ende…

3 Gedanken zu „Reiterei bei Rippach…

  1. na die ausfahrt hätt ich gern mitgemacht. toller bericht ritzel.

    hans

  2. Aha, heimlich, unangekündigt fremdgegangen – das merk ich mir! Sehr schöner Bericht.

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