Weltall, Erde, Anhalt… der Report

Team

Die Radsportgruppe des Traditionsvereins „Roter Stern“ erobert den Weltraum. Jene nordwestlich an die Leipziger Tieflandsbucht angrenzende Walachei – auch Sachsen-Anhalt geheißen. Himmelsscheibe, Luther, Gartenkünstler, Architekten, Leuna, Bitterfeld und die Combo Elsterglanz markieren das „Land der Frühaufsteher“ in der öffentlichen, zumeist ostdeutschen,  Wahrnehmung. Und es gibt noch eine Destination, kurz vor Großmühlingen und unweit von Eggersdorf, die jenen unwirtlichen Landstrich in die Liste der „must have“-Fahrradziele aufrücken lässt: Das Friedensfahrt-Museum in Kleinmühlingen! Dort sitzt ein emsiger Sammler, ein Netzwerker und Speichenverrückter, dessen öffentlich ausgestelltes Archiv einen respektablen Einblick in die Friedensfahrt- und darüber hinaus die Radsportgeschichte der TättereTe gewährt. Horst Schäfer und Gattin haben über Jahre alles zusammengetragen, was den Velofreund aus Ost und West, aus Nord und Süd interessieren könnte. Und das Gästebuch, dem wir uns später auch anvertrauten, spricht eindeutig dafür.

2013-06-29 08.48.10So entstand denn aus einer Biertischlaune heraus der Friedensfahrt-Giro der RSG-Süd. Durchgeführt am 29. Juni. Knappe Absprachen und eine durchgefeilte Logistik brachten die „Sterne“ auf den Weg. Ein Lob an den „Fahrplanbeauftragten“ C.W., der vor dem Hintergrund aller möglichen Wetterunbilden, in einer bemerkenswerten Matrix ‚zig Tour-Möglichkeiten im Hinterkopf bereit hielt . Es begann aber erst mal alles planmässig: 9:50 bei „Blumen-Hanisch“ in der Osthalle, dem überhaupt legendärsten Treffpunkt auf dem Leipziger Hauptbahnhof. Kurzer Transfer via S-Bahn nach Halle. Damit rückten wir dem Ziel schon mal komfortabel ein Stück näher. Von dort, nach einem Espresso auf dem Bahnhofsvorplatz, wurde dann pedaliert. Mein elektronischer 2013-06-29 11.11.25Streckenplan hatte einen, abseits der Bundesstraßen verorteten Parcours vorgesehen, dem wir auch stur folgten. Was bei solchen Planungen nicht immer über den Desktop flimmert ist natürlich die Wegebeschaffenheit… So war denn der erste Streckenabschnitt, nachdem wir uns mühsam aus Halle „herausgeschält“ hatten, teilweise eine Offenbarung die sicher dem Wandersmann gefällt, weniger dem Velozipeden auf  schmalem Rennreifen. Denn es ging auf dem „Saalweg“ (der noch kurz zuvor überschwemmt war) schön durch die Pampa. Teilweise maximale Wegebreite 25 cm (!) In Brackwitz taten sich breitere, sogar asphaltierte, Wege auf und es schien alles gut zu werden. Aber es kam immer dicker. Die gefürchteten Schlacke-Pflaster, die im „Meiner-Land“ nun mal Tradition haben, türmten sich teilweise kilometerlang vor uns auf. Ganz schlimm die Ortsdurchfahrt in Wettin, ein  Pavés das auch in der Streckenführung der „Hölle des Ostens“ Aufnahme fand. Als wir schließlich meinten uns laben zu müssen, sich so eine Art zweites Frühstück ins Hirn dämmerte, erreichten wir Könnern. OMG, da fiel mir wieder ein, was ich schon einmal, diese Region betreffend, gepostet hatte… Also Könnern war eine Stadtrund-Irrfahrt nach Bäcker, Gasthof, Fleischer, etc. Da war nüscht! Also weiter! Später in Bernburg, unweit einer „Replik“ der Weltzeituhr vom Alexanderplatz2013-06-29 13.08.08, konnten die RSG-Speicher dann doch noch mit Kaffe und Snacks betankt werden. Und kurz vor Calbe kam dann endlich der schon lange erwartete Regen der sich gleich mit einer kilometerlangen hübschen Passage aus aneinandergereihten Betonplatten paarte. Aber das war uns dann ziemlich Wurscht. Vom Ziel, dem Museum, trennten uns nur noch wenige Kilometer. Ankunft dort: Herzlich begrüßt von Frau Schäfer. Fanfare und Pils! Dann der Friedensfahrt-Film, danach eine Führung durch die Devotionalien der Radsportgeschichte. Dem Ergomtertraining auf einer Foltermaschine mit angebauter W50-Lichtmaschine als Widerstand und Wattmesser unterzog sich Fahrer Wittwer in Socken! Frau Schäfer erzählte und war offenbar in ihrem Element. Dann öffnete sie die „Geheimkammer“: Historische Fahrräder!  Unglaublich, was sich da so versammelte. Prähistorisches und Zeugnisse ostdeutschen, aus der Not gezeugten Erfindergeistes: Radhelme, Sturzkappen, 2013-06-29 15.14.01Ergometer-Maschinen und und und… Beeindruckt wechselten wir wieder in den Parterre-Raum, nahmen an der gedeckten Tafel bei Kaffe und Wiener Platz. Inzwischen hatte der Alterspräsident der RSG seinen Steuersatz am Retro-Renner mit Hilfe von Horst Schäfer’s gut sortierten Werkzeugkasten justieren können. Die Passagen unseres teilweisen Höllenrittes hatten ihren Tribut gefordert! So verging die Zeit. Irgendwie hatten wir ein bisschen ausgeblendet, dass wir ja auch noch eine Passage von 75 Kilometern zurück nach Halle unter die Reifen nehmen wollten müssen. Aber der Kaffee war gut, die Wiener schmeckten und via Beamer bekamen wir auch noch die letzten Kilometer der ersten Tour-Etappe serviert…Plötzlich kam Hektik auf, schnell noch ein Gruppenfoto vorm Museum und Abfahrt. Aber wohin? Zunächst stand Aschersleben auf dem Plan, da hätten wir mit nur 40 km Anfahrt noch einen RE nach Halle erwischt. 2013-06-29 16.29.55Aber irgendwie finden wir keine günstige Strecke dorthin. Wir disponieren um und beschliessen: die 21 km nach Magdeburg sind doch ein Witz und aus der Landeshauptstadt gibt es sicher eine DB-Verbindung nach Leipzig. Die RSG formiert sich zum Mannschaftszeitfahren und wir treten zügig, begleitet von leichtem Regen,  auf der B71 in Richtung Magdeburg. Auf halbem Weg wird die Fahrplan-App noch mal konsultiert. Shit! Die Züge von Magdeburg nach Leipzig verkehren wegen Hochwasserfolgen im SEV (für Bürger aus den gebrauchten Ländern: Schienenersatzverkehr!) Also: keine Fahrradmitnahme möglich. Wir kehren um, es ist inzwischen 17:58. Christoph und Stefan, deren 2013-06-29 18.36.17Fahrplankennung nach intensivem Studium der Smartphones mir Hochachtung abnötigen, geben ein neues Ziel aus: 18:21 Eggersdorf. Da soll ein Regionalzug durchrollen, bzw. anhalten, der uns bis Güsten bringt und nach Umsteigen dort weiter nach Dessau, wo wir dann in den RE nach Leipzig einsteigen könnten. Wir fahren die B71 im Regen zurück und geben Gas! Eggersdorf ist nur 8 Km entfernt. Bei einem 30er Schnitt sind wir in 16 Minuten dort…Aber, zu kurz gedacht. Reifenpanne bei Matthias! Schlauchwechsel. Weitertreten, es wird knapp. Kurz vor Großmühlingen, 4km vom Eggersdorfer „Bahnhof“ entfernt erneut Schaden bei Matthias. Diesmal Decken- und Schlauchwechsel. Die Fahrplan-App gibt an: nächste Möglichkeit 19:34 ab Eggersdorf. Wir haben plötzlich Zeit! Eine ganze Stunde! in Großmühlingen wird die „Brüderwirtschaft“ gefunden. Ein Ort, der nur dem hartgesottenen „Meiner“ in seinem unstillbaren Durst ein vertrautes Quartier bietet. 2013-06-29 17.43.10Dem „Zugereisten“ hingegen offenbart sich eine Schänke, die er nur noch von früher kennt: ein überschaubarer Speiseplan: Soli, Bowu, CWurst, alles 2€. Auf den Tischen Aschenbecher. Die Luft zum Schneiden. Bier 1.80€, Schnaps 2.00€. Da wir nicht wissen, was noch passiert, trinken wir schnell ein paar Bier, nehmen einen Schnaps und etwas aus der „Speisekarte“. 19:20Uhr steigen wir wieder in den Sattel und düsen die letzten 3 Km bis zum Eggersdorfer Haltepunkt. Der Regionalzug ist pünktlich. Die Füße werden hochgelegt und draußen gleitet die Anhaltische Pampa vorbei. Auch das Umsteigen in Güsten und später in Dessau klappt perfekt. Mit geringfügiger Verspätung spuckt uns der Regionalexpress um 22:15 am Leipziger Hauptbahnhof wieder aus. Diesmal in der Westhalle. Aber auch da gibt’s ja, seit der Wende, einen „Blumen Hanisch“ 😉2013-06-29 21.17.48

P.S.: …wieder in der so geliebten Heimat pedalierten wir zügig zu einem Abschluss-Weizen in’s Vereinslokal. Die gesamte Bildausbeute muss noch auf ein überschaubares Maß reduziert werden und wird dann via Drop-Box-Link bereitgestellt 😉

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2 Gedanken zu „Weltall, Erde, Anhalt… der Report

  1. @Matthias: eben rief mich ein Radsportkollege aus vergangenen Tagen an, beglückwünschte uns zu dieser Tour und meinte: O-Ton: „…Emma (mein Nickname aus der aktiven Zeit) Schön, dass Bradley Wiggins und Floyd Landis in deinem Kader sind…“ 😉

    Also Matthias: schön die Koteletten pflegen und Stefan: nicht rasieren !!

  2. Bliebe noch anzumerken, daß die RSG Süd auch beim Schlauch- und Deckenwechsel eine geschlossene Mannschaftsleistung abgeliefert hat. Sonst stünde womöglich als letzter Satz unter Geralds bemerkenswertem Report: „Lost in Sachsen-Anhalt.“

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